FATTORIA CORZANO E PATERNO & «GRANDE SOMMER IN ITALIEN »

Mit Sack und Pack und mir im Huckepack machte sich Phipo im Sommer 2021 auf die Reise nach Italien. Nicht ganz so einfach wie vor 30 Jahren mit dem Töff auf die Alp, aber mit ähnlicher Mission: Gute Zeit in wunderbarer Natur verbringen und erst noch kulinarisch verwöhnen lassen. Aber alles der Reihe nach…

Weltenbummler Phipo schwärmte mir schon lange von der «Fattoria Corzano e Paterno» vor, zu welchen er nicht nur eine gute Freundschaft pflegt sondern auch schon tatkräftig mitgearbeitet hat. Verschiedene Pecorinosorten und auch die Weine führen wir dadurch seit einiger Zeit bei uns im Standartsortiment im Verkaufsladen an der Colmarerstrasse – die Grösse des Betriebs und was alles dahinter steckt brachte mich allerdings ins Staunen, zumal alles aus eigenen Ressourcen aufgebaut und noch heute zu einem grossen Teil familiär Personell gestemmt wird.

Auf dem Weg in die Toskana – der Betrieb ist in San Casciano nähe Florenz ansässig – zeigte mir Phippo aber noch in einer spannenden Rundfahrt das «Cinque Terre» Unesco Weltkulturerbe-Gebiet.

Nach einem wunderbaren Nachtessen mit frischer, roher «Piatta di Pesce Crudo fresca» genossen wir noch einen erfrischenden Nachtschwumm im Meer. Am nächsten Tag machte mich Phipo während der Fahrt auf die vielen traditionellen Arbeitstechniken im Wein-&Olivenanbau aufmerksam. Die Jahrhundertealten Methoden sind teilweise noch Heute im Einsatz und generieren dadurch Ernten aus den abgelegensten Hängen – ich spreche damit die aussergewöhnlichen «Zahnradbahnen» an den Hängen des «Cinque-Terre»-Gebietes an. Die Trauben und Oliven an diesen Steilhängen der Apeninnen-Halbinsel sind besonders hochwertig, da sie einerseits das feuchte Klima vom Meer an den steilen Küsten direkt aufnehmen können und andererseits direkte Sonneneinstrahlung geniessen.

Vorbei an blühendem Ginster, frischen Jasmindüften und mit Kastanienbäumen überwachsenen Strassenabschnitten ging es langsam in Richtung Landesinnere. Auch dort protzt das schöne Land Italien bekanntlich mit beeindruckenden Naturgegebenheiten. Besonders beeindruckt hat mich die weite Sicht auf das Carrara Marmorgebirge, welches einem Schneeberg ähnelt. Die wuchtige Marmorlandschaft aus der Weitsicht betrachtet und gleich zwischen Autobahn und Meer dann die schön zugeschnittenen Gesteinsplatten (->»Marmotheka Carrara») lassen einem die alten Wege, welche schon vor Jahrhunderten die Römer mit dem Marmor zurückgelegt haben, erahnen.

Während wir aus der Schweiz erfahren dass das Wetter dem Winter ähnelt, fahren wir als wie mehr dem Sommer in Italien entgegen. So richtig Ferienstimmung kommt allerdings ab den vielen Eindrücken nicht auf; zu gross ist neben dem dichten und interessanten Programm von Phippo nun auch die Begeisterung ab dem arbeitsintensiven Umfeld der «Fattoria Corzano e Paterno» bei welcher wir nun angekommen sind. Das Empfangskomitee bestand aus Oskar und den 600 «Sarda-Schafen», welche von ihm und seinen Mitarbeitern gehalten und bei unserer Ankunft gerade gemolken werden. Zu den Mitarbeitern gehören auch die 5 Herdenhunde (Maremmano), welche ebenfalls eigens aufgezogen werden. Dies ist wichtig, damit bei allfälligen Ausfällen sofort Hunde eingesetzt werden können welche die Tiere und die Menschen in ihrem Umfeld kennen. Es ist nicht nur ein Arbeiten mit Tieren, sondern auch ein Leben mit Tieren – man spürt die Begeisterung von Oskar, nach dem abgeschlossenen Biologistudium und externen Ausbildungen endlich die Praxis auszuleben. Die Qualität von Oskars Arbeit zeigt sich in der aussergewöhnlich hohen Milchqualität und Quantität, wie Alijoscha zu berichten weiss. Alijoscha ist Hauptverantwortlicher vom Gesamtbetrieb der Fattoria Corzano e Paterno  und Vater der Zwillinge Oskar und Willi, welcher als Önologe ebenfalls im Betrieb Mitarbeitet mit den besten Voraussetzungen. Antonia, die Frau von Alijoscha und Mutter der Zwillinge, hat die Käserei aufgebaut.

Mit einer wunderbaren «Tavolata» aus eigenen Produkten aus der «Fattoria» geniessen wir zusammen mit der Familie und einigen Gästen von dem integrierten Agriturismo einen exklusiven Abend auf der Azienda. Das natürliche Klima der Gegend und dieser angenehmen und äusserst offenen Gesellschaft bleibt mir sehr speziell in Erinnerung. 

All zu lang wurde es an diesem gemütlichen Abend allerdings nicht, denn am Folgetag wurde schliesslich gearbeitet. Oskar war so freundlich und liess mich ausschlafen, so dass er die Führung durch die Käserei erst um 8.30 Uhr ansetzte. Einige der Produkte kannte ich natürlich schon, was sie allerdings für Weichkäse produzieren war mir noch nicht bekannt. Speziell aufgefallen ist mir der «Lingotto d’Orzo» sowie der «Ambro», welche mir besonders schmeckten. Nicht nur bei der Tierpflege, sondern auch bei der Käse- respektive Weinproduktion wird mit voller Inbrunst über die Vorgänge in der Fattoria referiert, was sehr beeindruckend ist. Der traditionielle Hut von Oskar, welcher dessen eines alten Dichters ähnelt, zeigt die Liebe zum Detail auch noch optisch.

Das Fachsimpeln mit Oskar macht Spass. Auch wenn mein Italienisch noch etwas Baustellengeprägt ist; man versteht sich gut. Und je länger wir über Käse sprechen, desto mehr geht er auch ins Detail. So erzählt er mir von seinem Projekt, noch mehr mit pflanzlichem Lab arbeiten zu wollen welches aus der Blütenpflanze der Artischocke gewonnen werden kann. 

Effizient und kreativ sind auch die Kombinationen mit den vielen Gütern, welche das Anwesen hergibt. Als Beispiel nenne ich den Käse «Tegola», welcher mit eigens produziertem Olivenöl sowie mit Tomaten eingerieben wird, welche selber angepflanzt werden. Es ist ein wunderbarer Schafmilchkäse, welcher auch bei unserer Kundschaft im Laden am beliebtesten ist aus der Fattoria Corzano e Paterno. Sein Name hat er übrigens von Dachziegeln («Tegola»), da er optisch den Farben der toskanischen Dächern ähnelt. Die langereiften Käsesorten werden in natürlich temperierten Steinkellern gepflegt, was dem Käse eine ganz urchige, raue Geschmacksnote verleiht. Ebenfalls ganz Eigens wird der «Dante» Käse hergestellt, so wird er mit Schweinefett und einem Leinentuch eingewickelt – eine Produktionsart, welche der ursprünglichen Cheddarherstellung gleicht. Da sprechen wir aber von alten «Farmhouse-Cheddar» und nicht von vielleicht etwas breiter bekannten, geschmacklosen Gummicheddarsorten…

Nach dem Mittagessen – es gab eine tolle Käseverköstigung – zeigte uns dann Alijoscha noch den imposanten Weinkeller. In kurzen Laufwegen zeigte er mir von den Reben alle einzelnen Produktionsschritte bis hin zu der Etikettierung bzw. Lagerung der Weine. Die Zentralisierung der Produktionsorte auf diesem grossen Landgut war ein grosser Schritt zu einem professionellen Ablauf der Produktionswege, welcher Step by Step über 40 Jahre verteilt sich entwickelt hatte. Mittlerweile sind es rund 100’000 Flaschen Wein, welche Alijoscha mit seinem Team produziert. Dazu gehört vorallem auch seine Cousine Arianna, welche zum Zeitpunkt von meinem Besuch allerdings nicht da war.

Mit leuchtenden Augen zeigt er mir die grossen ovalen Holzfässer, in welcher Weine der Sangiovese Traube am gären sind. Grosse Fässer für die Sangiovese Traube deshalb, weil die Traube delikater und sensibler ist als andere Traubensorten. Sangiovese würde viel heikler auf Vanille-& Röstaromen reagieren, welche das Holz der Traube überbringen kann. Warum oval und nicht rund wollten wir dann noch wissen – aus persönlicher Ästhetik antwortet er. Ein weiteres Indiz, dass Wein halt auch immer ein persönliches Produkt der Produzenten ist.

Alijoscha geht noch weiter ins Detail, er erzählt von den aktuellen Tätigkeiten in den Reben (Rebenschnitt um das Geschmacksvolumen der Trauben zu intensivieren) und der Schwierigkeit der Assemblage, welche jedes Jahr variiert und zu welcher er jeweils noch ein Fachmann hinzu zieht. Neben einigen 100% Sangiovese Weinen werden teilweise noch Canaiolo, Merlot und Cabernet Sauvignon Trauben assembliert.

Neben den tollen und intensiven Geschmäckern von all den hergestellten Produkten in der Fattoria Corzano e Paterno interessieren mich vor allem aber auch die Arbeitsabläufe, denn es «riecht» auch an allen Ecken und Enden vom Anwesen nach Arbeit. Alijoscha als Hauptverantworlicher kleidet sich in Arbeitskleidung und arbeitet von früh morgens bis spät Abends um dann alle 5-6 Jahre die Zitat «Wunschtraube» zu erlangen. Bei der Milch hingegen geht es über das Jahr hindurch viel hektischer zu und her, da 2mal täglich gemolken wird. Die Weinlese («->Vendemmia, im September) hingegen ist nur 1mal pro Jahr… Und dann ist ja noch die Tierpflege, Landbewirtschaftung, Fütterung, Olivenernte, Käseherstellungung, Betreiben des Verkaufsladens (->Negozio), Agrisurismo, Hundeaufzucht, Maschinenpflege, Schutz vor Wildtieren und so weiter und so weiter.

Und doch bleibt scheinbar genug Zeit, im familiären Kreis einen derart zugänglichen und lieben Hund wie Labrador «Django» aufzuziehen.

Bevor mich Phipo nach diesen lehrreichen und intensiven 3 Tagen meiner Familie übergibt, gibt es noch einen kulturellen Abstecher nach Firenze (und auch hier wieder Menu Komplett von Phippo: Bisteccha Fiorentina, Kathedrale, David von Michelangelo, Grappa, Wildsau-Münzwurf etc.).

Mille Grazie!

…und dann begann der «Grande Sommer»…

Am ersten Tag unserer anschliessenden Familienferien etwas weiter südlich in der Toskana überraschte uns die Schweizer Nati mit einem Sieg gegen Frankreich oder eben dem «Grande Sommer» im Penaltyschiessen.

«Grande» war aber auch der Sommer in Italien, so genossen wir im Bezirk Montecucco/Montalcino nicht nur schöne, sondern auch kulinarisch tolle Tage. Das schöne Dorf Castel del Piano hat wohl fast so viele Metzgereien wie Einwohner und mehr oder weniger alle umliegenden Dörfer ihre eigenen Kleinst-Weinproduzenten.

So auch unser Nachbar Carlo, welcher mit Herzblut knapp 10’000 Flaschen pro Jahr selber produziert. Ein spannender Mann, welcher das Leben in vollen Zügen geniesst und sich selber als «Eremit» bezeichnet. Sein einziges Problem scheint Nachbar Remualdo zu sein, so zanken sie sich täglich weil der eine zu laut Musik hört und der andere zu laut Opernlieder singt. Schlussendlich trinken sie dann aber irgendwie immer wieder freundschaftlich ein Glas selber produzierten Wein.

Carlo lädt uns dann auch unkompliziert zu sich ein zu einer Degustation von seinen «Pian di Bugnano» Weinen. Alles -zig Mal kleiner als bei Alijoscha, aber nicht mit weniger Herzblut lässt uns auch Carlo an seiner Faszination teilnehmen. Er erzählt von den Rosensträuchern, welche er zu jeder Rebe pflanzt um so auf natürlichem Weg den Pilzbefall kontrollieren zu können. Oder von der Tatsache, dass er nur einmal gezügelt ist in seinem Leben. Nämlich von der einen auf die andere Talseite. Wegen dem Sonnenuntergang…

Klingt halt romantisch – zumal noch auf Italienisch. Ist die Toskana doch auch…

Auf dem Nachhauseweg legten wir noch einen kurzen Stop ein auf dem Parmoletto Weingut in Montenero d’Orcia. Ebenfalls ein Familienbetriebenes Weingut mit erstklassigen Produkten aus langjähriger Tradition, von welchem wir in den nun hinter uns liegenden Ferien einige gute Weine getrunken haben. Speziell beim Anwesen von Familie Sodi ist sicherlich noch der Kleinstanbau von Safran (100g pro Jahr) über welchen uns auch noch einige Anekdoten erzählt wurden vom Patron persönlich.

Schön war’s. A la Prossima !