Hof Hinterbalm, Nunnigen

Regionale Geissenkäserei von Lise Marie und Erhard Lais

20 Minuten von Basel entfernt fühlt man sich schon in den Ferien. Nach der Ausfahrt Aesch durch Grellingen und schon ist man so halber im Urwald. Nur die Verkehrsstrasse beweist das Gegenteil, diese jedoch brauche ich um noch durch Nunnigen zu fahren um anschliessend auf Feldwegen weiter zu kommen. Hinter dem Hügel, vorbei am Briefkasten vom „Hof Hinterbalm“ welcher einem bestätigt auf dem richtigen Weg zu sein, nochmal hinter den nächsten Hügel und schon ist man da.

Als erstes inspizieren einem die jungen Gitzi, welche ihr sehr grosses Gehege und das wunderbare Wetter sichtlich geniessen. Sehr scheu rennen sie unisono dann aber davon und verstecken sich vor mir. Schön wie sie hüpfen und sichtlich lebensfroh sind. Die älteren Geissen („bündner Strahlenziegen“) wurden am Morgen frisch gemolken und geniessen im Stall die klassische Musik, welche Erhard laufen lässt. Die Musik beruhige ihn und die Tiere sagt er und empfängt mich mit einem freundlichen „guete Morge“.

Nun geht es los mit dem Käsen. Was für eine Käserei!!! Seit ca. 400 Jahren steht dieser Bauernhof und das Kamin, welches die Abluft vom Feuer gewährleistet, wurde schon für die frühere Waffenschmiede („Napoleonzeiten“ grinst Erhard nicht ohne Stolz) genutzt. Es ist immer noch dasselbe Kamin wie vor Jahrhunderten. Am offenen Feuer wird der Käse erhitzt, so richtig traditionell. Auch die Decke ist sehr niedrig. Dies ist aber im ganzen Haus so. Erhard war als junger Mann Maurer und hat nicht nur das ganze Haus selber renoviert, sondern einige Anbauten noch selber getätigt. Für ihn und Lise Marie ist die Höhe optimal, ich allerdings bin der ganze Tag leicht gebückt. Es macht mir aber gar nichts, im Gegenteil: man fühlt sich sehr heimelig. Mit 50 Litern Ziegenmilch aus 2 Melcheinheiten (Abends und Morgens) käst Erhard 2 Ziegenkäse, womit die Ausbeute wie bei Kuhmilchkäse bei etwa 10% ist. Ich bin überwältigt von Eindrücken – die alten Werkzeuge von Erhard die er besitzt: ein Museum! Auch für die Käseherstellung hat er noch einige Relikte, die er aber aus auflagetechnischen Gründen nicht mehr nutzen darf. So zum Beispiel der Käsebrecher, auf dem Foto sehen Sie den Unterschied zwischen alt und neu. „Den alten habe ich noch selber gemacht aus einem Ast“, sagt Erhard und fügt an „mit dem ging es viel besser“!

Das Ehepaar Lais ist nun seit knapp 20 Jahren auf dem Hof und sie geniessen es in vollen Zügen. Trotz 15 Stunden Arbeit an 7 Tagen, wenig Ertrag und ohne Subventionen nicht tragbar sind sie sehr glücklich. Fernsehen brauchen sie keinen, „unser Fernsehen ist das Küchenfenster. Es läuft immer der gleiche Sender mit den herumspringenden jungen Geissli. Wir brauchen keinen anderen Sender“. Sie schätzen es käsen zu können, auch Lise Marie übrigens käst selber. Ihre Aufgabe sind alle paar Tage die Ziegenfrischkäse, welche sie im Dorf durch „Fällele“ von Tür zu Tür verkauft. Die Abläufe beim Käsen sind überall ähnlich, nur Nuancen unterscheiden die Käser. Aber eben diese machen die verschiedenen Käse aus. So pflegt Erhard die Käse im (kleinen und noch niedrigeren…) Käsekeller mit suurem Moscht. Spannend ist übrigens der Absatz, bzw. die unterschiedlichen Geschmäcker. Auf dem Land verkauft er hauptsächlich seine Ziegenkäse im Alter von 3-4 Monaten. Bei uns in der Stadt laufen diese allerdings sehr schlecht, dafür die alten Käse bis zu einem Jahr umso besser – welche auf dem Land gar nicht laufen und eigentlich nur auf dem z’Morge, z’Mittag und z‘Nacht Tisch von Lise Marie und Erhard landen. Die Leidenschaft von Lise Marie und Erhard wiederspiegelt sich eigentlich in allen Abläufen vom Käsen, auch sonst haben sie eine tolle Beziehung zu Lebensmitteln. Auf dem Tisch ist selbstgebackenes Brot, selbst gemolkene Ziegenmilch („am liebsten mit einem kleinen Schuss Holunderblütensirup“ sind sich die 2 einig), eigenem Käse, Würste vom Gitzi aus ihrem Hof welches sie metzgen liessen, Bärlauch Aufstrich ebenfalls selbstgemacht und so weiter. Wie Sie dem Text entnehmen können sind wird schon am Mittagessen… Erhard erzählt mir spannende Geschichten in Zusammenhang mit der Milch. Wie heikel die Ziegen beim Melken sind und dass sie nur ihn heran lassen was viele Besucher nicht verstehen wollen bis sie „eins gwäsche“ kriegen von den Ziegen. Auch dass die Milch während dem Käsen zu behandeln sei „wie Eier“ sagt er mir, was ich mit einem Spruch zu entgegnen versuche „oder ein Bier einschenken ohne Schaum“… Mit hochgezogenen Augenbrauen schaut er mich an und sagt klar: „Nein, wie Eier“. Die grösseren Fettkügelchen in der Ziegenmilch sind sehr empfindlich und sorgfältiger zu behandeln als bei Kuhmilch. Vor allem beim Bruch und beim Erhitzen, was auf dem offenen Holzfeuer wie auf dem Hof Hinterbalm sicher schwieriger ist als in modernen Käsereien. „Aber genau das macht doch unser Handwerk interessant und speziell, zudem schmeckt man die Holznote eindeutig in unserem Käse“. Er erzählt mir noch vom Besuch des Schweizer Fernsehens vor einigen Jahren und von seinem Unverständnis wenn die Leute behaupten, ein Käse würde „bökchele“. „Oder wie sagen sie schon wieder in Basel? Bèggele?“ fragt er mich mit einem Grinsen. Die Leute seien dann jeweils sprachlos wenn er sie vor die Gegenfrage stellt „hän si schomol gseh wie eine e Geissebogg mälcht?“. Nach dem Sammeln von noch weiteren Eindrücken wie z.B. die Regenwassergewinnung aus einem selbstgebauten, 7m tiefen Brunnen, den schönen Schnitzereien überall an den Wänden oder der exquisiten Futterwahl der Geissen (nur das Beste ist ihnen gut genug) mache ich mich, natürlich mit einigen Spezialitäten vom Hof Hinterbalm, wieder auf den Weg nach Basel. Lächelnd und von der Sonne geblendet haben mir die 2 noch gewunken und die jungen Geissli sind wieder herumgehüpft. Bis zum nächstes Mal!